Ein halbes Jahrhundert im Dienst der Menschlichkeit

Hubert Seifert und Dr. Martin Kollmann waren für die CBM in Kenia im Einsatz – zusammengerechnet fast 50 Jahre. Jetzt verabschieden sie sich in den Ruhestand. Im Interview berichten die beiden, wie sie die Arbeit in Afrika geprägt hat.

Eine Hand sticht mit einem Stichwerkzeug Löcher durch eine Schablone in ein Blatt Papier. © CBM
Augenarzt Dr. Martin Kollmann (l.) und der Experte für Existenzsicherung Hubert Seifert haben die CBM-Arbeit für Menschen mit Behinderungen mitgeprägt.

Weltweit im Einsatz für Existenzsicherung von Menschen mit Behinderungen

Hubert Seifert arbeitete seit 1992 für die CBM. Dort übernahm der vierfache Vater aus Oberwolfach die Geschäftsführung beim Verband körperbehinderter Menschen in Kenia (APDK). Seifert baute APDK zu einem nationalen Netzwerk mit zehn Zweigstellen und über 500 mobilen Klinikstationen aus. Zehn Jahre lang beriet er außerdem als "Global Livelihood Advisor" CBM-Partner weltweit in Sachen Existenzsicherung. Ihm verdanken hunderttausende Menschen mit Behinderungen ihre soziale und wirtschaftliche Integration.

Augenarzt im Kampf gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten

Dr. Martin Kollmann arbeitete als Augenarzt und Tropenmediziner seit 2001 für die CBM im subsaharischen Afrika und in Kenia. Dort lebt er mit seiner Familie bereits seit 1994. Seit 2011 berät Kollmann als Fachberater die CBM im Kampf gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten. Hierzu gehören auch Flussblindheit und Trachom, die zu Erblindung führen können.
 

CBM: Sie beide waren lange für die CBM im Einsatz. Was haben Sie mit Ihrer Arbeit erreicht?

Seifert: In unseren Einrichtungen in Kenia haben tausende von Menschen medizinische Behandlung und Reha bekommen oder in unseren Werkstätten Arbeit gefunden. Mit der Qualität der hergestellten Produkte konnten wir uns auf dem offenen Markt behaupten und Großaufträge annehmen. Unsere Schreinerei hat beispielsweise für ein Vier-Sterne-Hotel 1.800 Möbelstücke gefertigt. Diese Arbeit hat das Selbstwertgefühl der Menschen unglaublich gesteigert und auch in ihren Gemeinden waren sie plötzlich angesehen. Sie hatten endlich das Gefühl, gebraucht zu werden.

Kollmann: Ich ging erst als Dozent nach Nairobi – es war mir schon damals wichtig, Ärzte auszubilden. Parallel dazu haben wir sehr viele Außeneinsätze in unterversorgten Gebieten gemacht, um Menschen vom Grauen Star zu befreien oder vor Trachom zu schützen.

Welche besonderen Herausforderungen hat Ihre Arbeit mit sich gebracht?

Seifert: Es waren vor allem Krisen, wie die Unruhen nach den Wahlen 2008 in Kenia, die uns vor große Probleme gestellt haben. Danach kam der Tourismus völlig zum Erliegen. Unsere Werkstätten waren aber auf den Verkauf an Urlauber angewiesen.

Kollmann: Ab 2010 war ich mit dem Kampf gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten wie dem Trachom und der Flussblindheit beschäftigt . Diese Krankheiten beginnen dort, wo die Straßen aufhören. In Ländern wie der Zentralafrikanischen Republik oder dem Kongo ist die Verteilung von Medikamenten schon unter normalen Bedingungen schwierig. Kommen noch Konflikte hinzu, ist es für uns fast unmöglich, in die Gemeinden zu gelangen. Dennoch konnten wir die Verteilung gemeinsam mit unseren Partnern meistens sicherstellen.

Das hat mir schlaflose Nächte bereitet, weil ich nicht wusste, wie wir die Löhne der Menschen zahlen sollten. Die CBM und ihre Spenderinnen und Spender waren uns aber eine große Hilfe.

Hubert Seifert

Seifert: Ähnlich schlimm waren Naturkatastrophen. Bei einer Überschwemmung wurden unser Kulturzentrum und Schulen zerstört. Das hat mir schlaflose Nächte bereitet, weil ich teilweise nicht wusste, wie wir die Löhne der Menschen zahlen sollten. Die CBM und ihre Spenderinnen und Spender waren uns aber eine große Hilfe.

Kollmann: Für mich sind die wahren Helden das Gesundheitspersonal und die vielen freiwilligen Gemeindehelfer in den Ländern, die Medikamente zum Teil unter lebensbedrohlichen Bedingungen verteilen.

Gibt es Begegnungen, die Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben sind?

Kollmann: Bei einem Einsatz in einer abgelegenen Region kam ein älterer Mann auf mich zu, der vor zig Jahren eine Graue-Star-OP erhalten hatte. Damals setzte man noch keine Linsen ein, sondern verschrieb Brillen mit dicken Gläsern. Dieser Mann hatte seine Brille jahrelang immer wieder mit Tesafilm und allen möglichen anderen Materialien geflickt. Ich habe ihn dann operiert und hinterher gefragt, ob er mir seine Brille geben möchte. Sie hängt heute noch an meiner Wand. Sie symbolisiert für mich, warum ich hier bin.

Seifert: Wir haben oft Rollstühle kreativ an die Bedingungen des ländlichen Kenia angepasst, z.B. Dreiräder mit Vollgummireifen ausgestattet, die keinen Platten bekommen. Ich erinnere mich an einen jungen Mann, Samuel. Er hatte als Kind Polio und konnte nur auf allen Vieren kriechen. Wir haben ihm ein solches Dreirad gegeben. Irgendwann hat Samuel mir einen Brief geschrieben und sich bei mir bedankt: Das Dreirad habe so sehr sein Leben verändert. Früher fühlte er sich immer wie eine Schlange, auf dem Boden kriechend. Jetzt sei er endlich ein richtiger Mensch.

Ich werde mich in der Augenheilkunde und den vernachlässigten Tropenkrankheiten weiter engagieren. Das ist mir zu sehr Herzensangelegenheit als dass ich mich komplett zurückziehe.

Dr. Martin Kollmann

Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus? Sie bleiben ja beide in Kenia.

Kollmann: Ich bin froh, dass viele Dinge, die ich mit auf den Weg gebracht habe, weitergeführt und ausgebaut werden. Ich werde mich in der Augenheilkunde und den vernachlässigten Tropenkrankheiten weiter engagieren. Das ist mir zu sehr Herzensangelegenheit, als dass ich mich komplett zurückziehe.

Seifert: Auch ich gehe mit einem sehr guten Gefühl in den Ruhestand – und mit vielen Plänen. Ich bin bei APDK jetzt in den Vorstand gewählt worden und werde mich weiterhin in der Behindertenarbeit engagieren. Zusammen mit meiner Frau werde ich auch verstärkt in unserer Kirchengemeinde aktiv bleiben.

Und die Hobbys für den Ruhestand?

Kollmann: Ich habe noch eine ganze Liste von Dingen, die mir Freude bereiten und die nichts mit der Arbeit zu tun haben – von der Gitarre bis zu meinem Chor und Reisen, die ich noch vorhabe. Da bin ich froh, dass ich dafür jetzt mehr Zeit habe.

Seifert: Ich bin schon immer gern gereist und letztes Jahr sind wir zweimal Großeltern geworden. Unsere Kinder leben in Hongkong, England und Holland und wir wollen natürlich mehr Zeit mit unseren Enkelkindern verbringen. Ich bin in Mombasa im Umweltschutz aktiv. Es sieht also nicht danach aus, dass es mir langweilig werden wird.

Herzlichen Dank, Herr Seifert und Dr. Kollmann, für die Einblicke in Ihre Arbeit. Genießen Sie Ihren Ruhestand und verwirklichen Sie all Ihre Pläne!