Ein lächelnder Mann steht in einem Wartesaal, hinter ihm sitzen viele Menschen auf Bänken. © CBM/argum/Einberger

"Ich kann den Menschen neue Hoffnung geben."

Von Ägypten nach Großbritannien und von da in die CBM-geförderte Kabgayi-Klinik im Herzen Ruandas. Dorthin zog es den ägyptischen Augenarzt Dr. Michael Mikhail, um armen Menschen zu helfen. Schon einer seiner ersten Patienten erwies sich als ein außergewöhnlicher Fall. Im Interview spricht der Arzt über seine Hilfe für die Menschen.

Arzt im OP-Saal führt eine Augen-Operation durch © CBM/Bothe
Dr. Mikhail ist als einer von wenigen Ärzten in Ruanda auf komplizierte Netzhautperationen spezialisiert.

Von Ägypten nach Großbritannien: Das muss für Sie wie eine völlig neue Welt gewesen sein!

Ja, am Anfang war es schwierig, denn ich musste viele Prüfungen ablegen, bevor ich dort als Arzt praktizieren durfte. Ein paar Jahre habe ich in einigen Krankenhäusern gearbeitet und 2013 eine vierjährige Ausbildung absolviert, 2017 wurde ich dann Augenarzt. Danach begann ich meine Ausbildung zum Netzhautspezialisten. 

Und dann Ruanda, wieder eine völlig neue Welt. Was war der Grund für Ihre Entscheidung, dorthin zu ziehen?

Der Hauptgrund sind die christlichen Werte von mir und meiner Frau Marie. Wir wollten unser Leben für Gott leben, indem wir den Menschen dienen. 2016 hörte ich die Rede eines Professors für Augenheilkunde – ein ehemaliger CBM-Arzt namens Allen Foster. Er sprach darüber, wie man ein Leben im Dienst an den Patienten führen kann. Seine Rede berührte mein Herz, und ich spürte, dass es das ist, was meine Frau und ich wollten. Als ich eine Stellenanzeige der CBM für das Kabgayi-Hospital fand, bewarb ich mich sofort.

Augenarzt untersucht Patientin mit der Spaltlampe © CBM/Bothe
Für viele Patientinnen und Patienten ist Dr. Mikhail die letzte Hoffnung, dass ihr Augenlicht gerettet werden kann.

Warum sind Ihr Wissen und Ihre Fähigkeiten so wichtig für die Patienten in Ruanda?

Es gibt nur wenige Augenärzte in Ruanda und es gibt nur einen weiteren Netzhautspezialisten im gesamten Land. Mein Traum ist es, hier Ärzte auszubilden, die auch Operationen an der Netzhaut durchführen können.

Gleich einer Ihrer ersten Patienten war eine große Herausforderung. Können Sie uns den Fall schildern?

Der Patient hatte eine Augenverletzung und eine Netzhautablösung. Ein scharfkantiger Stein steckte wie eine Pfeilspitze im Inneren des Auges. Es gibt Techniken, um einen solchen Fremdkörper zu entfernen, aber keine funktionierte. Ich habe zwei Stunden versucht, den Stein herauszuholen – ohne Erfolg. Ich musste dem Patienten sagen, dass sein Auge wahrscheinlich blind bleiben würde. Ich fühlte mich schlecht und war sehr müde. Wenn ich diesem Patienten nicht helfen kann, was mache ich dann hier, fragte ich mich.

Doch Sie gaben nicht auf?

Ich war verzweifelt und ging die Fachliteratur durch, aber ohne Erfolg. Dann fiel mir mein ehemaliger Mentor ein. Ich rief ihn per Video an und zeigte ihm den Fall. Er hatte die Idee, einen Faden mit einer Schlinge in das Auge einzuführen und um den Stein zu wickeln. Das probierte ich am nächsten Tag. Ich werde nie vergessen, wie alle jubelten, als wir den Stein endlich herausholten. Ich war so glücklich, dass ich nicht aufgegeben hatte.

Portrait einer Familie mit Vater, Mutter, Tochter und Sohn © CBM/Bothe
In seiner freien Zeit genießt Dr. Mikhail das Familienleben.

Gibt es einen Unterschied zwischen europäischen Patienten und Patienten hier?

Europäer suchen in der Regel sofort einen Arzt auf, wenn sie ein Problem haben. Hier in Ruanda kommen die Menschen aus verschiedenen Gründen erst sehr spät. Manche können sich kein Busticket leisten, um ins Krankenhaus zu kommen. Einige versuchen es mit traditioneller Medizin. Wenn sie schließlich zu uns kommen, haben viele von ihnen Probleme in einem sehr fortgeschrittenen Stadium. Leider sind wir dann nicht immer in der Lage, ihre Sehkraft vollständig wiederherzustellen.

Was denken Sie, wenn Sie nach einem anstrengenden und langen Tag im Operationssaal nach Hause kommen?

Bevor ich hierherkam, gab es zwei Jahre lang keinen Netzhautchirurgen. Es gab also so viele Patienten, die auf Hilfe warteten. Ich habe jeden Tag drei bis vier lange Fälle operiert. Wenn ich dann nach Hause kam, fiel ich oft direkt ins Bett. Das wurde aber mit der Zeit besser. Heute denke ich, dass ich den Menschen hier neue Hoffnung und ein besseres Leben gebe. Und es gibt diese besonderen Momente, wenn mich eine alte Dame, die ihr Augenlicht wiedererlangt hat, umarmt, lächelt und mir für meine Hilfe dankt.

Wenn Sie nach der Arbeit nicht sofort einschlafen, was machen Sie dann in Ihrer Freizeit, um sich zu erholen?

Ich habe eine Familie mit zwei kleinen Kindern, und die halten mich auf Trab. Am Wochenende gehe ich schwimmen oder fahre Rad. Manchmal besuche ich auch Kigali.

Was können die Menschen in Europa von den Menschen in Ruanda lernen?

Resilienz ist eine Sache. Die Menschen hier in Ruanda haben in ihrem täglichen Leben mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Aber diese Schwierigkeiten halten sie nicht davon ab, ihr Leben bestmöglich zu meistern.