"Einer Person mit Behinderung zu erlauben, nur zu existieren, einfach nur zu überleben, ohne dabei aber Chancen zu erhalten, ist für sie eine Grausamkeit. Es ist eine unsichtbare Gewalt, die ihnen angetan wird.
Nach einiger Zeit unterstützte meine Familie meine Ausbildung nicht mehr. Sie behaupteten, Grundschulbildung sei mehr als genug für ein Mädchen. Sie waren der Meinung, wenn man in der Lage ist, seinen Namen zu schreiben und einige Grundrechenarten zu beherrschen, dann sei dies Bildung genug. Wahrscheinlich hatten sie noch keine Mädchen gesehen, die studieren und sinnvolle Dinge mit ihrem Leben anfangen- vor allem keine Mädchen mit physischen Behinderungen.
Aber ich war sehr darauf bedacht, eine höhere Bildung zu erlangen. Ich sagte ihnen, dass ich, wenn ich zur Schule ginge, kein Geld von ihnen nehmen und alle Kosten für meine Ausbildung selbst tragen würde. Ich begann, die Kinder in der Umgebung meines Hauses zu unterrichten. Die Kinder kamen nicht aus wohlhabenden Familien und waren nicht in der Lage, mir einen anständigen Betrag zu zahlen. Die monatlichen Einnahmen, die ich dafür erhielt, waren sehr gering und deshalb musste ich eine Reihe von Kindern in mehreren Schichten stundenlang unterrichten, damit ich genug Geld verdienen konnte. Ich begann meine Nachhilfestunden gegen 15 Uhr und beendete sie um 23 Uhr. Es war eine Situation, in der ich meine Kindheit überhaupt nicht genießen konnte. Ich begann, mich wie eine Erwachsene zu verhalten, als ich selbst noch in der Mittelstufe war.
Bei Bildung geht es nicht nur darum, in der Lage zu sein, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Wir studieren nicht nur, um Angestellte, Beamtin oder Bürokratin zu werden. Bildung ist mehr als nur ein Beruf. Als gebildeter Mensch ist man ein aufgeklärter Mensch, auch abseits des Berufslebens. Bildung macht eine Person erst vollkommen. Und ich denke, einem Menschen mit einer Behinderung hilft sie, sich selbst zu akzeptieren."
Ummul Kher, Indien 2017